Sichere Alternativen zu toxischem Tuberkulose-Medikament Linezolid
Forschungsergebnisse des Instituts für Infektions- und Tropenmedizin am LMU Klinikum München und Konsortiumspartnern zeigen eine bessere Verträglichkeit von zwei neuartigen Antibiotika zur Therapie multiresistenter Tuberkulose.
Gruppenfoto von "PanACEA", einem erfolgreichen europäisch-afrikanischen Konsortium für Tuberkulose-Studien, das in vielen afrikanischen Ländern Kapazitäten für klinische Studien geschaffen hat.
Zwei internationale klinische Studien unter der Leitung von PD Dr. Norbert Heinrich vom Institut für Infektions- und Tropenmedizin des LMU Klinikums München, die gemeinsam mit internationalen Partnern durchgeführt wurden, belegen die Sicherheit und Wirksamkeit zweier vielversprechender Antibiotika als potenzielle Alternativen zu Linezolid in der Tuberkulosebehandlung. Die Wirkstoffe Sutezolid und Delpazolid zeigten eine starke antimikrobielle Aktivität und waren deutlich besser verträglich als Linezolid. Sie könnten zukünftig diesen bislang zentralen Wirkstoff in der Therapie multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB) ersetzen. Die Ergebnisse wurden in zwei Fachartikeln im renommierten Fachjournal The Lancet Infectious Diseases veröffentlicht. Forschungspartner in Deutschland waren das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), das Fraunhofer-Institut für Translationale Medizin und Pharmakologie, das Center for International Health am LMU Klinikum sowie Helmholtz Munich.
Seit 2022 empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Medikament Linezolid als Teil des BPaLM-Behandlungsschemas. Es wird seitdem zusammen mit Bedaquilin, Pretomanid und Moxifloxacin zur standardmäßigen sechsmonatigen Behandlung multiresistenter Tuberkulose eingesetzt. Mit dem BPaLM-Behandlungsschema konnte die vorige durchschnittliche Therapiedauer von 18 Monaten deutlich reduziert werden.
Herausforderung Linezolid
Allerdings weist Linezolid eine hohe Toxizität auf. Die Anwendung des Antibiotikums bei Tuberkulose, die deutlich langwieriger ist als die des üblichen Einsatzes bei bakteriellen Hautinfektionen, führt häufig zu schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Anämie oder Erkrankungen des Sehnervs (Optikusneuropathie). Diese sind für Patient:innen stark belastend, können dauerhaft bestehen bleiben und erfordern mitunter einen Therapieabbruch – was den Behandlungserfolg gefährdet: „Trotz seiner Wirksamkeit ist Linezolid für viele Patienten schlichtweg zu toxisch. Wir benötigen dringend sicherere Alternativen innerhalb dieser Antibiotikaklasse“, erklärt DZIF-Forscher PD Dr. Norbert Heinrich.
Neue Wirkstoffe mit besserer Verträglichkeit
Sowohl Sutezolid als auch Delpazolid gehören – wie Linezolid – zur Klasse der Oxazolidinone, zeigen jedoch eine deutlich geringere Toxizität. In zwei innovativen Phase-IIb-Studien – SUDOCU (PanACEA Sutezolid Dose-finding and Combination Evaluation) und DECODE (PanACEA Delpazolid Dose-finding and Combination Development) – wurden beide Wirkstoffe erstmals in Kombination mit Bedaquilin, Delamanid und Moxifloxacin getestet. Diese Vierfachkombinationen wurden bisher in keiner anderen Studie eingesetzt. Die multizentrischen Studien, die in Südafrika und Tansania durchgeführt wurden, untersuchten die Wirkstoffe bei Patient:innen mit medikamentensensibler Lungentuberkulose. Beide Substanzen waren besser verträglich als Linezolid.
Zentrale Studienergebnisse zeigen bessere Verträglichkeit
Sutezolid zeigte über alle getesteten Dosierungen hinweg eine ausgeprägte antibakterielle Wirkung und wurde gut vertragen – ohne dokumentierte Fälle von Neuropathie oder hämatologischer Toxizität. Diese Ergebnisse zeigen, dass Sutezolid insbesondere bei längerer Anwendung eine sichere Alternative in künftigen TB-Therapien darstellen könnte, auch wenn eine abschließende Dosierungsempfehlung derzeit noch nicht möglich ist.
Delpazolid verbesserte die Wirksamkeit der Kombination mit Bedaquilin, Delamanid und Moxifloxacin. Eine einmal tägliche Dosis von 1.200 mg erreichte die gewünschten Wirkstoffspiegel für maximale Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit über einen Zeitraum von 16 Wochen. Auch hier wurden keine Fälle von Nervenschädigung oder hämatotoxischen Nebenwirkungen beobachtet.
„Die Studienergebnisse legen nahe, dass beide Wirkstoffe sicherere Therapieoptionen für TB-Patienten bieten könnten – insbesondere bei längerer Behandlungsdauer“, sagt Dr. Tina Minja, Studienleiterin der DECODE-Studie am NIMR-Mbeya Medical Research Center in Tansania. Das Zentrum ist eines von vier Afrikanischen Partnerinstitutionen, mit denen das DZIF bereits langjährige Kooperationen unterhält.
Globale Zusammenarbeit
Die Studien wurden im Rahmen des PanACEA-Netzwerks (Pan-African Consortium for the Evaluation of Anti-Tuberculosis Antibiotics) durchgeführt – einem internationalen Konsortium in Afrika und Europa. SUDOCU und DECODE sind offene, randomisierte Phase-IIb-Studien, in denen verschiedene Dosierungen systematisch hinsichtlich antibakterieller Aktivität, Arzneimittelexposition und Sicherheitsprofil miteinander verglichen wurden.
Quelle: Sichere Alternativen zu toxischem Tuberkulose-Medikament | LMU Klinikum
Weitere Links:
https://www.lmu-klinikum.de/tropeninstitut
https://panacea-tb.net