Wenn Antibiotika versagen: Neues Gen für Antibiotika-Resistenz auch in Deutschland nachgewiesen
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) und der Universität Gießen zeigen, dass das in China vor kurzem entdeckte Colistin-Resistenzgen mcr-1 auch in Deutschland auftritt. Das Ergebnis ist brisant, denn Colistin gilt als Reserve-Antibiotikum der letzten Wahl für die Therapie multiresistenter Bakterien. Die Ergebnisse sind aktuell in The Lancet Infectious Diseases veröffentlicht.
Berichte über bakterielle Erreger, die unempfindlich, also resistent gegen die zur Verfügung stehenden Antibiotika sind, häufen sich in den letzten Jahren. Oft ist das Antibiotikum Colistin eines der wenigen noch einsetzbaren Antibiotika, wenn es um Infektionen mit diesen multiresistenten Erregern geht. Im November 2015 entdeckten Wissenschaftler in China ein neues Resistenzgen, mcr-1, das die Bakterien nun auch gegen Colistin resistent macht. Besonders alarmierend ist, dass das neu entdeckte Resistenzgen mcr-1 im Gegensatz zu den vorher bekannten Colistin-Resistenzen zwischen Bakterienstämmen übertragbar ist und sich so theoretisch leicht verbreiten könnte.
Seit 2013 arbeiten Wissenschaftler des DZIF-Forschungsschwerpunkts „Krankenhauskeime und Antibiotika-resistente Bakterien“ mit dem interdisziplinären Forschungsverbund „RESET“ am Institut für Medizinische Mikrobiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen eng zusammen bei der Sammlung multiresistenter Infektionserreger von Tier und Mensch. Das Erbgut der Isolate dieser umfangreichen Sammlung wurde in der Bioinformatischen Abteilung des DZIF sequenziert und die bakteriellen Genome in einer Datenbank hinterlegt. Diese Genom-Datenbank konnte nun erfolgreich genutzt werden, um die mögliche Verbreitung des neu entdeckten Resistenzgens festzustellen.
In der Sammlung wurde tatsächlich ein menschliches Isolat aus dem Jahre 2014 gefunden, welches nicht nur das neu entdeckte Colistin-Resistenzgen mcr-1 trug, sondern zusätzlich eine Carbapenem-Resistenz aufwies. Carbapeneme gelten bereits als breit wirksame Reserve-Antibiotika, die in Notfällen gegen multiresistente Bakterien zum Einsatz kommen. Besteht eine Doppelresistenz gegen Carbapeneme und Colistin, kann eine fatale Situation ohne Behandlungsoption entstehen. Die Entdeckung ist damit besonders alarmierend für das Gesundheitswesen.
Colistin wird in der Tiermedizin vor allem bei Schweinen und Rindern zur Behandlung von schwer verlaufenden Infektionen verwendet. Das mcr-1-Resistenzgen wurde in Deutschland bei Tieren bereits im Jahr 2010 nachgewiesen. Nach den aktuellen wissenschaftlichen Berichten aus China scheint die Möglichkeit einer Übertragung auf den Menschen nicht ausgeschlossen zu sein.
„Voraussetzung für die schnelle Identifizierung des mcr-1-Gens war eine große Sammlung von Genomsequenzen multiresistenter Bakterien in einer spezialisierten Datenbank. Diese von der Bioinformatik erstellte Datenbasis war wegweisend und zeigt eindrucksvoll das Potenzial Genom-basierter Epidemiologie“, erklärt Professor Trinad Chakraborty, wissenschaftlicher Koordinator im DZIF und Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Gießen. Für DZIF-Vorstand Professor Martin Krönke sind die aktuellen Ergebnisse ein weiterer Beleg für die bedrohliche Resistenzentwicklung und deren globalen Ausbreitung. "Wir verfügen mit dem Friedrich-Löffler-Institut und dem Robert-Koch-Institut im DZIF über die gesamte Expertise und über Möglichkeiten, um uns dieser globalen infektiologischen Herausforderung bei Mensch und Tier entgegenzustellen.“
Das DZIF und der Forschungsverbund RESET werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. RESET ist ein interdisziplinärer Forschungsverbund, in dem u. a. auch das Friedrich-Löffler-Institut und das Robert-Koch-Institut vertreten sind.