Masernimpfvirus als Vektor für einen Impfstoff gegen COVID-19
Masernimpfvirus-basierter SARS-CoV-2-Impfstoff induziert Immunantwort in Mäusen und Hamstern.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Paul-Ehrlich-Instituts haben im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) Impfstoffkandidaten gegen COVID-19 untersucht. Sie basieren auf einem abgeschwächten und sehr gut verträglichen Masernimpfvirus (Vektorimpfstoff). Eine Variante zeigte eine gute Stabilität und führte bei Mäusen und Hamstern nach zweifacher Impfung zu hohen Antikörperspiegeln und einer guten zellulären T-Zell-Immunantwort, die mit einer guten Wirksamkeit gegen eine Infektion einherging. Dies unterstützt die weitere Entwicklung von COVID-19-Impfstoffen auf Basis des abgeschwächten Masernimpfvirus.
Weltweit wird mit Hochdruck an Impfstoffen gegen COVID-19 geforscht und inzwischen sind mehrere Impfstoffkandidaten in der Phase 3 der klinischen Prüfung. Forscherinnen und Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts um Privatdozent Dr. Michael Mühlebach forschen seit Jahren intensiv an Impfstoffen auf Basis von abgeschwächten harmlosen Masernimpfviren als Modellsystem für moderne Vektorimpfstoffe. Ein Teil dieser Arbeiten erfolgt im Rahmen der Forschungsaktivitäten des Paul-Ehrlich-Instituts im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF).
Die Masernimpfviren dienen als Vektor. Sie werden als Transportmittel für Teile der genetischen Information eines anderen Erregers genutzt, um dem Immunsystem ausgesuchte Antigene in einigen wenigen Körperzellen zu präsentieren und damit einen maßgeschneiderten Impfschutz aufzubauen. Hierzu wird die genetische Information des Antigens in das Erbgut des Masernimpfvirus eingebaut. Dieses Modell eines Vektorimpfstoffs ist deswegen eine Impfstoffplattform, weil – einem Baukasten vergleichbar – je nach Erreger, gegen den eine schützende Immunantwort erzeugt werden soll, die passende genetische Information in das Impfvirus integriert wird.
Aktuell hat das Forschungsteam die Eignung der Plattform als Basis auch für Impfstoffkandidaten gegen SARS-CoV-2 untersucht. In die Masernimpfviren bauten sie die genetische Information des SARS-CoV-2-Spike-Glykoproteins (S), Antigen des SARS-CoV-2, ein. Dieses Antigen ist die Zielstruktur neutralisierender Antikörper. Die genetische Information des S-Protein-Gens wurde in voller Länge alternativ an zwei verschiedenen Genompositionen in das Erbgut des Masernimpfvirus integriert. Eine der beiden Masernimpfvirusvarianten erwies sich als sehr stabil bei der Vermehrung über mehrere Virusgenerationen hinweg. Nach der Impfung von Mäusen und Goldhamstern löste das Impfvirus eine Antikörperbildung aus, die mit der Antikörperbildung bei infizierten und dann genesenen Patienten vergleichbar war und führte zudem zu einer deutlichen und breiten zellulären Immunantwort. Diese Immunantworten senkten in immunisierten Tieren die Viruslast in den oberen und unteren Atemwegen um mindestens 90 Prozent. Infizierte oder geimpfte Mäuse entwickelten keine erkennbaren COVID-19-Krankheitssymptome, so dass die Wirksamkeit der Impfung über die Senkung der Viruslast ermittelt wurde. Geimpfte Goldhamster waren durch die Impfung vor einem schweren Verlauf der symptomatischen Infektion geschützt.
Die Immunantwort zeigte zudem eine Ausprägung in Richtung des sogenannten Th1-Typ. Nicht nur die gute und wirksame Immunantwort insgesamt, sondern auch diese Ausrichtung in Richtung des erwünschten Th1-Subtyps macht die Masernimpfvirus-Impfstoffplattform attraktiv für die Entwicklung wirksamer und sicherer COVID-19-Impfstoffe. Ein positiver Begleiteffekt: Eine Immunantwort wurde nicht nur gegen das Coronavirus-2, sondern gleichzeitig auch gegen Masernviren induziert. Die Daten weisen also darauf hin, dass sich mit diesem Impfstoff ein Impfschutz sowohl gegen COVID-19 als auch gegen Masern erzeugen lassen könnte. Insbesondere in Ländern, die angesichts der COVID-19-Pandemie routinemäßige Impfkampagnen einstellen mussten, könnte ein solcher Impfstoff von Vorteil sein, um der Gefahr einer erneuten Zunahme der Maserninfektionen vorzubeugen. Die Masern sind weiter weltweit ein großes Problem: Die Anzahl der Todesfälle durch Masern ist zwischen 2016 und 2019 um 50 Prozent angestiegen, berichtete die Weltgesundheitsorganisation WHO im November 2020.
„Die bisherigen Ergebnisse sprechen dafür, dass die Masernimpfvirus-Plattform gut geeignet sein könnte, um wirksame Impfstoffe für einen gleichzeitigen Schutz gegen COVID-19 und gegen die Masern zu entwickeln. Vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen Erfahrungen mit dem Masernimpfvirus sind wir zudem sehr optimistisch im Hinblick auf die Sicherheit und Verträglichkeit dieser Impfstoffe“, erläutert PD Dr. Michael Mühlebach die Bedeutung der Ergebnisse.
Das Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, trägt auch mit seinen Forschungsaktivitäten zur Erforschung wirksamer und sicherer COVID-19-Impfstoffe bei. Aufgrund seines regulatorischen Auftrags betreibt das Paul-Ehrlich-Institut jedoch keine Impfstoffproduktentwicklung. Zu den regulatorischen Aufgaben gehören die Genehmigung klinischer Prüfungen und die Zulassung von Impfstoffen in Deutschland, die Nutzen-Risikobewertung im Rahmen des zentralisierten Zulassungsverfahren bei der Europäischen Arzneimittelagentur sowie die Chargenprüfung und -freigabe. Nur nach Zulassung und durch Chargenfreigabe des Paul-Ehrlich-Instituts können Impfstoffe in Deutschland vermarktet werden.
Quelle: PEI-Pressemitteilung