Neue Studie zeigt Schlüsselrolle von Fledermäusen bei der artübergreifenden Verbreitung von Morbilliviren
Fledermäuse in den Tropen Amerikas sind ein Reservoir für Morbilliviren – eine Gattung von RNA-Viren, zu denen auch das menschliche Masernvirus gehört. Ihre Rolle bei der Ausbreitung dieser Viren auf andere Säugetierarten ist jedoch unklar. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Charité - Universitätsmedizin Berlin und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) hat nun die Ausbreitung von Morbilliviren in Fledermäusen und Affen in Brasilien und Costa Rica untersucht und dabei neue Virusarten und Wirtswechsel von Fledermäusen auf andere Säugetierarten entdeckt. Die Wissenschaftler:innen fordern eine verstärkte Überwachung und experimentelle Risikobewertungen für reservoirgebundene Morbilliviren. Die Studie wurde am 27. Mai 2025 in Nature Microbiology veröffentlicht.
Morbilliviren sind hochansteckende Viren, die bei Menschen und Tieren schwere Krankheiten auslösen. Prominente Beispiele sind Masern beim Menschen, Staupe bei Fleischfressern und Rinderpest. Obwohl die Rinderpest erfolgreich ausgerottet wurde, stellen andere Morbilliviren nach wie vor eine erhebliche Bedrohung für die menschliche Gesundheit und den Viehbestand dar. Trotz ihrer weiten Verbreitung unter verschiedenen Säugetierarten ist wenig über ihre Hauptwirte, ihre geografische Verbreitung und ihr Potenzial, auf neue Arten überzuspringen, bekannt.
Die Evolution von Morbilliviren in Fledermausarten der amerikanischen Tropen
Im Rahmen der neuen Studie wurden mehr als 1.600 Fledermäuse aus Brasilien und Costa Rica untersucht. Die Forschenden fanden Hinweise auf eine Infektion mit bisher unbekannten Morbilliviren bei mehreren Fledermausarten, darunter auch Vampirfledermäuse, deren blutsaugendes Verhalten den Kontakt mit anderen Tieren begünstigt. Bei mehr als einem Drittel der untersuchten Vampirfledermäuse konnten Antikörper gegen ein neu entdecktes Vampirfledermaus-Morbillivirus nachgewiesen werden. Dies deutet darauf hin, dass solche Infektionen weit verbreitet sind und normalerweise nicht tödlich verlaufen.
Eng mit Fledermaus-Morbilliviren verwandte Morbilliviren bei Affen gefunden: Gefahr für den Menschen?
Morbilliviren wurden auch bei wilden Affen gefunden, die in Brasilien starben. Es gibt zwar keinen Beweis dafür, dass die Viren die Todesfälle verursacht haben, aber eine genetische Analyse ergab eine enge Verwandtschaft mit Morbilliviren von Fledermäusen. Labortests zeigten, dass die Affenmorbilliviren im Gegensatz zu den Fledermausmorbilliviren denselben Zellrezeptor wie das Masernvirus nutzen können. Dies weist auf ein potenzielles Übertragungsrisiko auf den Menschen hin. Glücklicherweise zeigte sich in weiteren Tests, dass Antikörper, die durch frühere Masern- oder Staupe-Infektionen gebildet wurden, Fledermaus-Morbilliviren neutralisieren können. Dies deutet auf eine gewisse Kreuzimmunität hin, die die Entwicklung von Impfstoffen erleichtern könnte.
„Obwohl Morbilliviren in Affen offenbar den menschlichen Masernrezeptor nutzen können, ist es noch zu früh, um festzustellen, ob sie eine Gefahr für den Menschen darstellen“, sagt Dr. Wendy K. Jo, Postdoktorandin an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Erstautorin der Studie. „Diese Studie macht jedoch deutlich, wie wichtig die Überwachung solcher Viren bei Wildtieren ist.“
Artübergreifende Übertragung ist häufiger als erwartet
Evolutionsbiologische Analysen der Studie deuten darauf hin, dass Fledermaus-Morbilliviren sowie solche von Fleischfressern und Huftieren in der Vergangenheit mehrfach Artgrenzen überschritten haben. Dazu gehört die Übertragung von Fledermäusen auf Schweine und Affen. Es wird angenommen, dass ähnliche Wirtswechsel, an denen Fledermäuse beteiligt waren, in der jüngeren Vergangenheit zu neu auftretenden Krankheiten beim Menschen geführt haben, wie etwa SARS und Ebola.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Morbilliviren bei Fledermäusen häufiger und vielfältiger sind als bisher angenommen - und dass sie in seltenen Fällen auf andere Tiere überspringen können“, sagt Prof. Jan Felix Drexler von der Charité - Universitätsmedizin Berlin, Studienleiter und Wissenschaftler im Forschungsbereich „Neu auftretende Infektionskrankheiten“ am DZIF. „Dies ist kein Grund zur Panik, sondern ein klarer Aufruf zur Wachsamkeit.“
Die Forscherinnen und Forscher plädieren für eine verstärkte Überwachung von Erregern in Wildtieren, für gezielte Risikobewertungen und langfristig für die Entwicklung von Schutzmaßnahmen, wie zum Beispiel Impfstoffen, für Mensch und Tier.