Seltenes, von Ratten übertragenes Virus infiziert Frau in Deutschland – Verbindung zu privater Heimtierrattenhaltung
Das in Deutschland bisher nur selten nachgewiesene Seoul-Virus, das von Ratten übertragen wird, hat zu einer schweren Erkrankung bei einer Frau geführt. Gesundheitsexpert:innen sehen darin ein Warnsignal, da Ratten als Heimtiere immer beliebter werden.
Ärzt:innen und Wissenschaftler:innen der Universitätskliniken Leipzig (UKL) und Mannheim (UMM) und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) und Bernhard Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) berichteten über den Fall einer Frau, die sich mit dem Seoul-Virus infiziert hatte. Das zu den Hantaviren gehörende Seoul-Virus kann von Ratten übertragen werden. Die Infektion steht im Zusammenhang mit einer privaten Tierzucht und verdeutlicht das wachsende Risiko für die öffentliche Gesundheit, da Ratten als Heimtiere immer beliebter werden. Die Expert:innen empfehlen im Rahmen der Veröffentlichung des Falls in der Fachzeitschrift Emerging Infectious Diseases eine bessere Überprüfung sowie eine verbesserte Tierhygiene in privaten Rattenhaltungen und -zuchten. Zudem plädieren sie für eine verstärkte Aufklärung der Öffentlichkeit über Zoonosen, also von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten.
Im März 2024 wurde eine 44-jährige Frau aus Mitteldeutschland mit Fieber, Erschöpfung, Durchfall und akutem Nierenversagen ins Krankenhaus eingeliefert. Sie musste vorübergehend dialysiert werden, erholte sich aber schließlich vollständig. Laboruntersuchungen ergaben, dass sie sich mit dem Seoul-Virus infiziert hatte, höchstwahrscheinlich erworben während eines Besuchs in einer privaten Zucht für Heimtierratten einige Wochen vor Beginn ihrer Symptome.
Gemeinsame Untersuchungen der örtlichen Gesundheitsbehörden, des FLI und des BNITM ergaben, dass das Virus bei mehreren Ratten aus dieser Zucht nachgewiesen werden konnte. Genetische Analysen zeigten eine hohe Übereinstimmung der Virussequenzen aus der Tierhaltung und von der Patientin.
Obwohl das Seoul-Virus weltweit vorkommt, sind Infektionen beim Menschen in Deutschland bisher äußerst selten beschrieben worden. Es verbreitet sich hauptsächlich durch das Einatmen winziger Partikel, die mit infiziertem Rattenurin, -kot oder -speichel kontaminiert sind. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht beschrieben.
„Viele Menschen sind sich nicht bewusst, dass Ratten als Heimtiere Viren übertragen können, die schwere Erkrankungen verursachen“, sagt Prof. Rainer Ulrich, DZIF-Wissenschaftler am FLI und einer der Autoren der Studie. „Eine verantwortungsvolle Haltung beziehungsweise Zucht, gute Tierhygiene und Aufklärung der Bevölkerung – insbesondere der Liebhaber von Heimtierratten – sind entscheidend, um zukünftig weitere Infektionen zu verhindern.“
„Die Aufmerksamkeit der behandelnden Ärzte und die enge Zusammenarbeit von Gesundheits- und Veterinärbehörden haben wesentlichen Anteil an der Aufklärung dieses Erkrankungsfalls“, ergänzt Dr. Mario Hönemann vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie am UKL.
Die Forscher:innen mahnen eine verstärkte Kontrolle von Rattenhaltungen und -zuchten, eine verbesserte Hygiene in Zuchtanlagen sowie eine Aufklärung der Öffentlichkeit über die mit der Haltung der Ratten verbundenen Erkrankungsrisiken an. Immungeschwächte Personen und andere gefährdete Gruppen sollten keine Ratten als Heimtiere halten. „Wir empfehlen zudem, Patient:innen mit ungeklärtem Fieber, Nierenbeteiligung oder Blutungserscheinungen gezielt nach Kontakt zu Nagern, auch Heimtierratten, zu fragen“, so Fabian Baalmann und Johannes Münch von der Klinik und Poliklinik für Endokrinologie, Nephrologie und Rheumatologie des UKL, welche die Patientin unmittelbar am Krankenbett betreuten.
Dieser Fall unterstreicht, dass Infektionskrankheiten, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden, einen vereinenden „One Health“-Ansatz erfordern, der die Gesundheit von Menschen, Tieren und Ökosystemen gemeinsam in den Blick nimmt. „Die Stärke von ‚One Health‘ liegt im Miteinander: „Wir arbeiten auf Augenhöhe, respektieren die jeweilige Expertise und treffen Entscheidungen gemeinsam. So werden aus einzelnen Disziplinen verlässliche Teams, die Patient:innen und Bevölkerung schützen“, resümiert Corinna Pietsch, Leiterin der Klinischen Virologie am UKL.
Weitere Informationen: One Health Platform